Süß zu Sauer – Streptokokken und Laktobazillen verursachen Karies
Manche Bakterien erzeugen Säuren aus Speiseresten, die in Zahnzwischenräumen hängen bleiben. Eine gesunde Mundflora hält sie in Schach, doch ein Mangel an Mundhygiene bringt das Gleichgewicht zum Kippen.
Hunderte Arten von Bakterien leben in unserem Mund, die meisten sind unauffällig und harmlos. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Streptokokken und Laktobazillen: Bleiben sie längere Zeit ungestört, drohen schwere Schäden für die Zähne.
Streptokokken und Laktobazillen nutzen einfache Sorten von Zucker als Nahrung, vor allem Saccharose (Rohrzucker), Glukose und Fruktose1. Doch in den Nischen der Zähne ist Sauerstoff knapp – die Bakterien stellen dort auf eine besondere Form des Stoffwechsels um. Der Zucker wird dabei nur unvollständig abgebaut, als Abfallprodukt entstehen Säuren: In erster Linie Milchsäure, aber auch Essig- und Ameisensäure.
Säure stört das Gleichgewicht
Die Säure stört das natürliche Gleichgewicht der Mundflora, dem Ökosystem der Mikroorganismen im menschlichen Mund. Harmlose Bakterien, die ansonsten etwa 99 Prozent der Mundflora bilden, werden am Wachstum gehemmt. Die säureliebenden Streptokokken und Laktobazillen hingegen können sich ungehindert ausbreiten.
Schon nach wenigen Stunden beginnen auch die Zähne zu leiden. Die Säure löst Mineralien aus dem Zahnschmelz und verwandelt ihn – wenn der Zustand über Wochen oder Monate andauert – in eine poröse Substanz. Karies entsteht, und Streptokokken und Laktobazillen tragen die Hauptschuld daran. Ärzte bezeichnen sie daher als kariogene (Karies verursachende) Keime.
Bereits 1890 erkannte Willoughby D. Miller, ein Mitarbeiter von Robert Koch in Berlin, den Zusammenhang zwischen Bakterien und Karies. Als Hauptschuldigen sah er noch die Laktobazillen an. Diese stäbchenförmigen Bakterien vergären Zucker und erzeugen Milchsäure – und spielen damit eine wichtige Rolle in der Nahrungsherstellung. Milchprodukte wie Joghurt und Käse wären ohne sie kaum denkbar, und auch Biersorten wie der Berliner Weiße und der Leipziger Gose verleihen sie den typischen Geschmack. Auf die gleiche Weise vergären Laktobazillen die Zuckerreste im Mund – und schädigen damit die Zähne.
Streptococcus mutans – der Leitkeim für Karies
Laktobazillen sind eher harmlose Zeitgenossen, Streptokokken hingegen können auch beim Menschen unangenehme Infektionen auslösen. Und seit den1960er Jahren ist klar, dass sie auch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Karies spielen. Die Art Streptococcus mutans gilt als Leitkeim von Karies: Ihre Häufigkeit ist der wichtigste Indikator für den Verlauf der Erkrankung.
S. mutans hat – neben der Produktion von Säure – eine zweite unangenehme Eigenschaft: Aus dem Nahrungsbrei produziert das Bakterium klebrige Substanzen (Glucane), mit deren Hilfe es sich fest am Zahnschmelz anheften kann. Dieser Biofilm ist äußerst hartnäckig und lässt sich nur durch gründliche Reinigung entfernen2. Gelingt dies nicht, bilden sich gefährliche Plaques, in denen S. mutans einen bedeutenden Anteil der enthaltenen Bakterien stellt3.
Bei der Geburt sind Kinder noch frei von kariogenen Bakterien, die Infektion erfolgt meist über den Kontakt zu den Eltern4. Oft über das Ablecken von Nuckeln, Flaschensaugern und Löffeln, aber auch schon ein Kuss kann genügen. Völlig vermeiden lässt sich diese Übertragung nicht, bei sorgfältiger Mundhygiene ist dies auch nicht weiter schlimm. Eltern sich daher keine übermäßigen Sorgen machen. Wenn sie jedoch stark zu Karies neigen, sollten sie das Kind vom eigenen Speichel möglichst fern halten.
Mundhygiene verhindert Karies
Um Bakterien zu bekämpfen, werden häufig Antibiotika eingesetzt. Warum nicht auch bei Karies? Weil auch die harmlosen Bakterien im Mund unter dieser Behandlung leiden. Und eine natürliche Mundflora bietet Schutz vor Infektionen: Im Konkurrenzkampf um die knappen Ressourcen drängt sie die gefährlichen Keime zurück. Ist die Mundflora aus dem Gleichgewicht, steigt etwa die Gefahr von Pilzinfektionen deutlich.
Eine wirksame Gegenmaßnahme ist hingegen die konsequente Mundhygiene. Der regelmäßige Gebrauch von Zahnbürsten, Zahnseide und Interdentalbürsten verhindert das Entstehen der gefährliche Plaques und die übermäßige Bildung von aggressiven Säuren. Wer zudem den Genuss von Zucker und Softdrinks reduziert, nimmt den kariogenen Bakterien die Lebensgrundlage. Streptokokken und Laktobazillen richten nur dann Schaden an, wenn der Mensch sie lässt.
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Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand des Wissens wieder. Er enthält jedoch nur allgemeine Hinweise, die nicht für eine Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung geeignet sind. Einen Arztbesuch kann er auf keinen Fall ersetzen.
Quellen und weiterführende Literatur
- 1 Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Wie entsteht Karies?, kzbv.de, Stand Oktober 2023 (Link)
- 2 N. Podbregar, Wie Karies-Bakterien unsere Zähne befallen, scinexx, Mai 2020 (Link)
- 3 Cho et al., Selenomonas sputigena acts as a pathobiont mediating spatial structure and biofilm virulence in early childhood caries, Nature Communications, Mai 2023 (Link)
- 4 Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein, Zahnpflege für Babys, zahnpatienten.info, abgerufen April 2024 (Link)