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Stoffwechselanalyse – der Nutzen ist meist zweifelhaft

Die Analyse des eigenen Stoffwechsels soll helfen, die Ernährung zu verbessern und Trainingspläne zu optimieren. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es nicht.

Gentests, Blutanalysen und Atemanalysen untersuchen den Stoffwechsel und sollen die Ernährung verbessern Gentests, Blutanalysen und Atemanalysen untersuchen den Stoffwechsel und sollen die Ernährung verbessern

Jeder Mensch hat einen anderen Stoffwechsel. Sollte jeder deswegen auch bestimmte Nährstoffe bevorzugen? Oder beim Sport besondere Maßnahmen ergreifen? Viele Firmen bieten Stoffwechselanalysen an, die bei diesen Fragen weiterhelfen sollen. Hilfreich sind sie aber nur selten.

  1. Der menschliche Stoffwechsel – jeder ist anders
  2. Die Stoffwechselanalyse – vom Blutbild zum Gentest
  3. Die Stoffwechseltypen – eher ein Mythos
  4. Der Nutzen – bislang nicht bewiesen
  5. Fazit

1.  Der menschliche Stoffwechsel – jeder ist anders

Klassische Diäten gingen davon aus, dass alle Menschen einen ähnlichen Stoffwechsel haben. Diese Vorstellung ist heute jedoch kaum noch zu halten. Forscher wissen nun, viele Faktoren den Stoffwechsel individuell verändern1:

  • erbliche Veranlagung
  • körperliche Verfassung
  • Lebensstil
  • die Zusammensetzung der Darmbakterien (Mikrobiom)
  • Umwelteinflüsse
  • psychische und soziale Faktoren

Es ist auch lange bekannt, dass die klassischen Diäten in der Regel keine dauerhafte Gewichtsabnahme ermöglichen. Vermutlich auch deshalb, weil sie die Unterschiede zwischen den Menschen weitgehend ausblendeten. Neuere Ansätze versuchen, die Ernährung genau auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Voraussetzung dafür sind umfassende Analysen, die auch die Besonderheiten des Stoffwechsels ermitteln. Diese Ansätze werden manchmal als personalisierte Ernährung oder Präzisionsernährung bezeichnet2.

Einige Experten sehen in der personalisierten Ernährung einen wichtigen Beitrag, der die Gesundheit vieler Menschen verbessern kann. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass der Weg dorthin noch sehr weit ist1. Anbieter kommerzieller Produkte, die bereits heute dramatische Erfolge versprechen, sollten daher mit großem Misstrauen betrachtet werden.

2.  Die Stoffwechselanalyse – vom Blutbild zum Gentest

Verschiedene Methoden können den Stoffwechsel eines Menschen genauer bestimmen. Sie messen jedoch oft grundlegend verschiedene Dinge und betrachten unterschiedliche Eigenschaften. Jede Methode kann daher nur einen Teilaspekt des Stoffwechsels beleuchten. Außerdem sind die Ergebnisse in der Regel nur dann verlässlich, wenn sie in anerkannten medizinischen Einrichtungen durchgeführt werden.

2.1.  Gentests – Aussagen bleiben fraglich

Gentests untersuchen Varianten im Erbgut, die Aufschluss über körperliche Veranlagungen geben sollen. Forscher vermuten, dass mindestens 941 Genvarianten mit Übergewicht und ähnlichen Merkmalen zusammenhängen. Der Einfluss dieser Genvarianten ist jedoch begrenzt: Zusammen erklären diese Genvarianten nur etwa sechs Prozent der Schwankungen, die beim Body-Mass-Index (BMI) beobachtet werden3.

Die meisten Stoffwechselanalysen bieten viel weniger: Sie untersuchen meist nur etwa 20 Gene oder weniger. Dafür ist die Durchführung einfach: In einer Speichelprobe werden „single nucleotide polymorphisms (SNPs)‟ bestimmt, die in großen Assoziationsstudien in Verbindung gebracht wurden. Firmeneigene Algorithmen versuchen dann, mit diesen SNPs bzw. Genvarianten die Besonderheiten des Stoffwechsels zu beschreiben.

2.2.  Blutuntersuchung – wichtig bei Stoffwechselerkrankungen

Das Blut transportiert wichtige Nährstoffe und Stoffwechselprodukte. Die Bestimmung der Blutfettwerte und des Blutzuckers gehören zur ärztlichen Routineuntersuchung: Dies gibt oft den ersten Hinweis auf ernste Stoffwechselstörungen. Häufig werden auch Hormone und andere Botenstoffe im Blut gemessen, um Stoffwechselerkrankungen frühzeitig zu erkennen. Für den Arzt sind Blutuntersuchungen ein wichtiges Diagnoseinstrument. Ihre Bedeutung für die persönliche Ernährungs- und Trainingsplanung ist jedoch unklar.

2.3.  Indirekte Kalorimetrie – Bestimmung des Energieumsatzes

Bei der Kalorimetrie wird der Energieumsatz des Körpers bestimmt. Die indirekte Kalorimetrie misst den Sauerstoffverbrauch und lässt über diesen Umweg Rückschlüsse auf den Energiestoffwechsel zu. Die Methode bestimmt vor allem die Leistungsfähigkeit des Stoffwechsels: Genaue Aussagen über einzelne Stoffwechselwege sind nur bedingt möglich.

Die Methode ist bei korrekter Durchführung sehr aufwendig. Zudem ist sie meist nur in sportmedizinischen Zentren verfügbar. Einfache, wenige Minuten dauernde Tests mit Hilfe einer Atemmaske sind in der Regel nicht zuverlässig.

2.4.  Die Atemgasanalyse – der respiratorische Quotient

Die Atemgasanalyse misst den Anteil von Sauerstoff und Kohlendioxid in der ausgeatmeten Luft. Aus dem Verhältnis der beiden Gase ergibt sich der Respiratorische Quotient: Dieser kann Aufschluss darüber geben, wie gut die wichtigsten Nährstoffe verwertet werden. Allerdings kann die Messung durch viele Faktoren verfälscht werden. Die Ergebnisse der Atemgasanalyse sind daher in der Regel nicht sehr zuverlässig.

3.  Die Stoffwechseltypen – eher ein Mythos

Einige Theorien behaupten, dass es eine begrenzte Anzahl verschiedener Stoffwechseltypen gibt. Die Messung einer Handvoll von Merkmalen soll ausreichen, um Menschen einem dieser Typen zuzuordnen – alle anderen individuellen Unterschiede werden dabei weitgehend ignoriert. Keine dieser Theorien ist wissenschaftlich belegt oder hat einen nachweisbaren Nutzen4.

3.1.  Einteilung nach Sheldon

Der US-amerikanische Arzt William Sheldon untersuchte 1942 den Körperbau von 4000 Freiwilligen. Dabei glaubte er, drei verschiedene Körperformen unterscheiden zu können. Diese Körperformen sollten sich auch auf den Charakter der Menschen auswirken:

  • Ektomorphe Menschen sind schlank und hochgewachsen. Außerdem sind sie intellektuell, künstlerisch begabt und introvertiert.
  • Mesomorphe Menschen sind muskulös und athletisch. Sie sind zudem körperbetont, energisch und durchsetzungsfähig.
  • Endomorphe Menschen sind übergewichtig und rundlich. Sie sind entspannt und gesellig.

Sheldons Theorien haben heute in der Wissenschaft keine Bedeutung mehr. In der Fitness- und Ernährungsszene sind sie jedoch weiterhin gebräuchlich. Oft wird sogar der Stoffwechsel mit der Körperform in Verbindung gebracht:

  • Ektomorphe Menschen sollen einen schnell arbeitenden Stoffwechsel haben. Sie verbrennen daher angeblich Kalorien schneller, was eine Gewichtszunahme erschweren soll.
  • Mesomorphe Menschen sollen einen mittelschnellen Stoffwechsel haben. Sie können daher angeblich leichter Muskeln aufbauen und Fett abbauen können.
  • Endomorphe Menschen sollen langsam arbeitenden Stoffwechsel haben. Sie müssen daher angeblich mehr auf ihre Ernährung achten, um eine Gewichtszunahme zu vermeiden.

3.2.  Einteilung nach der Reaktion auf Nährstoffe

Manchmal werden auch Stoffwechseltypen beschrieben, die sich an der angeblichen Umsetzung der drei Hauptnährstoffe orientieren5. Grundlage hierfür sind häufig Stoffwechselanalysen, die eine kleine Zahl von Varianten im Erbgut untersuchen. Folgende Einteilungen sind gebräuchlich:

  • Kohlenhydrat-Typ
  • Protein-Typ
  • Fett-Typ
  • Mischformen wie Kohlenhydrat-Protein-Typ oder Protein-Fett-Typ

Diese Stoffwechseltypen werden häufig noch mit den Körperformen nach Sheldon kombiniert. Gelegentlich werden auch spezielle Trainingstipps verbreitet, die für bestimmte Stoffwechseltypen besonders hilfreich sein sollen. Warum Körperbau, Stoffwechsel und Trainingserfolg so eng zusammenhängen sollen, wird nicht überzeugend erklärt.

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4.  Der Nutzen – bislang nicht bewiesen

Stoffwechselanalysen sollen die Ernährung und Fitness verbessern – behaupten viele Anbieter. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass dieses Versprechen keine solide Grundlage hat.

4.1.  Übersichtsarbeit von 2018: Veranlagung und Stoffwechsel

Forscher aus München haben sich 39 Studien ausgewertet, die den Zusammenhang zwischen erblicher Veranlagung und wichtigen Stoffwechselprozessen untersucht haben6. Sie fanden keine Hinweise, dass Genanalysen zu sinnvollen Ernährungstipps führen können.

4.2.  Studie von 2023: Stoffwechseltypen und Diät

Eine Studie mit 122 übergewichtigen Personen untersuchte, ob die Einteilung in Stoffwechseltypen beim Abnehmen hilft7. Die Teilnehmer wurden nach einem Gentest in Fett- und Kohlenhydrat-Typen eingeteilt. Anschließend erhielten sie eine kohlenhydrat- oder fettreiche Diät. Nach 12 Wochen zeigte sich, dass die Gewichtsabnahme immer gleich war – unabhängig davon, ob die Diät dem Stoffwechseltyp entsprach oder nicht.

Allgemein sehen Forscher die bislang angebotenen Stoffwechselanalysen kritisch. Für den überwiegenden Teil gilt1:
  • Wissenschaftliche Belege fehlen.
  • Die Vorhersagekraft ist gering.
  • Die Erfolgsversprechen sind weit übertrieben.

5.  Fazit

Stoffwechselanalysen sind unverzichtbar für Ärzte, um schwere Erkrankungen zu diagnostizieren. Aufwendige Analysen können auch Leistungssportler unterstützen, die das absolute Maximum aus ihrem Körper herausholen wollen.

Für den Alltag sind sie jedoch wenig hilfreich. Die Testergebnisse vieler Anbieter enthalten nur altbekannte Ratschläge: Ernähre dich ausgewogen, bewege dich ausreichend. Besonders vorsichtig sollte man sein, wenn die Stoffwechselanalysen im Zusammenhang mit Ernährungspaketen verkauft werden. Die Analyse dient dann meist dazu, überteuerte Nährstoffe zu verkaufen.

Außerdem sind die Ratschläge der Testanbieter meist so allgemein gehalten, dass sie für jeden gelten – eine Stoffwechselanalyse ist dafür überflüssig. Wer sich ernsthaft für Ernährung und seinen Körper interessiert, wird aus den meisten Stoffwechselanalysen wenig Neues erfahren.

Quellen und weiterführende Literatur

  • 1 Berciano et al., Precision nutrition: Maintaining scientific integrity while realizing market potential, Frontiers in Nutrition, September 2022 (Link)
  • 2 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Neues Modell zu Personalisierter Ernährung, Pressemitteilung, September 2023 (Link)
alle Referenzen anzeigen
  • 3 Holzapfel et al., Genetics and Epigenetics in Personalized Nutrition: Evidence, Expectations, and Experiences, Molecular Nutrition & Food Research, Juli 2022 (Link)
  • 4 T. Tiefenauer, Stoffwechseltypen: Fakt oder Fiktion?, ksb blog, Stand Juni 2022 (Link)
  • 5 Verbraucherzentrale, Von Stoffwechsel-Diäten bis Trennkost: Erfolgsaussichten und Gefahren, Stand Februar 2022 (Link)
  • 6 Drabsch et al., Associations between Single Nucleotide Polymorphisms and Total Energy, Carbohydrate, and Fat Intakes: A Systematic Review, Advances in Nutrition, Juli 2018 (Link)
  • 7 Höchsmann et al., The Personalized Nutrition Study (POINTS): evaluation of a genetically informed weight loss approach, a Randomized Clinical Trial, Nature Communications, Oktober 2023 (Link)
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